Rathaus Bruck an der Leitha
Mustergültige Sanierung in mittelalterlichem Zentrum
Das Rathaus in Bruck an der Leitha im östlichen Niederösterreich steht auf seit Jahrhunderten besiedeltem und damit archäologisch interessantem Grund. Die im Vorjahr abgeschlossene
Generalsanierung wurde daher von archäologischen Untersuchungen begleitet. Da diese parallel zu den Bauarbeiten stattfanden, beschränkten sie sich auf einzelne Areale, vorwiegend im Innenhof
sowie im Erdgeschoß und unter den Arkaden.
Vielerorts, wie beispielsweise in der östlichen Hälfte des Innenhofs, wären archäologische Zeugnisse zu erwarten, die jedoch durch die relativ geringe Eindringungstiefe der Baumaßnahmen nicht
erreicht werden konnten.
Gefunden, befundet und dokumentiert wurden hingegen Mauern und Mauerreste, die eine ähnliche oder gleiche Flucht wie das aufgehende Mauerwerk des bestehenden Rathauses aufweisen – weiters eine
ehemalige Latrine samt Gewölbe, ein fast vollständig mit Wasser gefüllter, 4,75 m tiefer und mit Steinplatten abgedeckter Brunnen sowie andere Strukturen.
Gefunden wurden auch „Nachrichten“ und „Botschaften“ aus dem 19. Jahrhundert, die im Zuge eines früheren Umbaus bzw. einer früheren Sanierung von Handwerkern im Bauwerk hinterlegt wurden.
Ein auf archäologische Dienstleistungen und bauhistorische Untersuchungen spezialisiertes Unternehmen war mit rund zehn Mitarbeitern – vom Grabungsleiter über Geologen bis zu Vermessern –
von September bis November 2014 sowie im März 2015 vor Ort tätig.
Büros, Geschäfte, Wohnungen
Das nun restaurierte Rathaus wird im zum Hauptplatz gerichteten Gebäudeteil als Gemeinde- und Verwaltungszentrum verwendet. Der hintere, an der Schillerstraße gelegene Trakt wird in Form von
Büros und Ordinationen an Unternehmer und Selbständige vermietet. Das gesamte Gebäude wurde in technischer Hinsicht auf den neuesten Stand gebracht.
Zentrale Überlegung vor der Inangriffnahme dieses 9-Millionen-Euro-Projekts war die Herstellung eines barrierefrei zugänglichen Bürgerservices samt ebenfalls barrierefreier Erschließung für die
öffentlichen Teile des Stadtamtes. Wie bereits im Wettbewerbsentwurf von den Planern der B&M Architektur / BME Baumanagement ZT GmbH ausgeführt, wurde hierfür das südseitige Stiegenhaus
sowie der daran anschließende Gebäudetrakt abgebrochen. In diesem Bereich wurden ein neues Treppenhaus sowie im Erdgeschoß die neue Bürgerservicestelle errichtet.
Dem Denkmalschutz ist es zu verdanken, dass Teile des alten Außenmauerwerks des Kellers bis etwa 80 bzw. 125 cm über neuem Fußbodenniveau erhalten blieben. Die neue Pfosten-Riegelkonstruktion der
Fassade befindet sich vor dem in das Bürgerservice integrierten, alten Mauerwerk, dessen unter Fußbodenniveau liegenden Teile durch zwei begehbare Glasböden sichtbar gemacht wurden. „Der Neubau
ist ein architektonisch harmonisches Bindeglied zwischen den historischen Gebäuden und dem modernen Büroteil“, betont der Geschäftsführer des Baumanagementunternehmens BME, Ing. Harald
Eisterer.
In den Erdgeschoßräumen des Bestands befinden sich die Stadtbücherei, Teile des Stadtarchivs, Büroflächen sowie eine Ordination. Im 1. Obergeschoß des Neubaus ist der große
Gemeinderatssitzungssaal untergebracht. Die bestehenden Räume wurden für die politische Verwaltung (Bürgermeister, Vizebürgermeister und Amtsleiter) sowie für den kleinen Sitzungs- und
Trauungssaal adaptiert. Die bestehende Arkade im 1. Obergeschoß erfuhr eine Revitalisierung, die beiden bisher vermauerten Bögen über der Durchfahrt zum Hauptplatz wurden wieder geöffnet. Der
Richtung Schillerstraße liegende Teil des Gebäudes konnte durch den Einbau eines Aufzugs barrierefrei gestaltet werden. Eine in diesem Bereich befindliche Stiege in einem Zubau aus den
1960er-Jahren wurde erneuert.
Im 2. Obergeschoß des Neubaus über dem großen Sitzungssaal ist in einem von der Fassade zurückgesetzten Bauteil das Archiv der Stadtgemeinde Bruck an der Leitha eingerichtet. In den zum
Hauptplatz hin orientierten Bestandsräumlichkeiten befinden sich das Bauamt und die Buchhaltung der Stadtgemeinde. Der hintere Trakt wird für eine Mietwohnung genutzt.
Dächer, Fenster, Mauern
Einer umfassenden Erneuerung wurden auch die Dachflächen unterzogen. Dafür kamen eine Ziegeldoppeldeckung, bei flacheren Neigungen eine Blecheindeckung zum Einsatz.
Die Fenster wurden generell als lackierte Holzkastenfenster mit innenseitiger Isolierverglasung bzw. im Arkadengang als Holzeinfachfenster ausgeführt. Mit der Herstellung betrauten die Aus-lober
die Spezialisten der Kastenfenster Kranz GmbH & CoKG aus Schwanenstadt in Oberösterreich. Jene Bauteile des Bestands, die aus den 1960er-Jahren stammen, weisen neue Kunststoff-Alu-Fenster
auf. Die Sohlbänke der Arkadenfenster sowie der Balkon zum Hauptplatz wurden mit Verbleiungen abgedichtet.
Da das Mauerwerk im Bereich des Erdgeschoßes stark durchfeuchtet war, wurden umfangreiche Trockenlegungsarbeiten durchgeführt. Dabei kamen Durchschneidetechniken mit Diamantseil als auch das
Einschlagen von Niroplatten zum Einsatz. Wo das Bestands-gebäude an das benachbarte Café angrenzt, wählte das beauftragte Unternehmen ein Kombi-Verfahren aus HSC-Creme-Injektionen und der
Installation von Heizstäben über den Injektionsstellen.
Die bestehenden Dippelbaum- und Holztramdecken sowie Ziegelgewölbe wurden nach statischem Erfordernis verstärkt. Auch die bestehenden Dachstühle wurden für die neue Ziegeldoppeldeckung mit einem
Unterdach mit Lattung und Konterlattung verstärkt.
Innenhofgestaltung
Der gesamte Innenhof sowie der zugehörige Vorbereich am Hauptplatz erhielten eine neue Oberflächengestaltung mit Großformatplatten, in den Randbereichen in Kombination mit Kleinsteinpflaster.
Eine Brunnenanlage in Form von sechs in die Pflasterung eingelassenen Fontänen sowie eine Begrünung der südseitigen Fassade aus den 1960er-Jahren sorgen für ein angenehmes Mikroklima.
Der Zugang zur im angrenzenden Hof liegenden, rund 700 Jahre alten Synagoge erfolgt nun auch über diesen Innenhof, und zwar durch ein als Stahlkonstruktion ausgeführtes, markantes Portal.
Die außerhalb der Öffnungszeiten verschlossenen Durchfahrten Richtung Hauptplatz und Richtung Schillerstraße wurden mit Alu-Glas-Portalen versehen.
Fotos:
B&M Architekten / BME Baumanagement ZT GmbH
Kastenfenster Kranz GmbH & CoKG
Historische Bauforschung & Archäologie, Mag. Ralf Gröninger
Projektpartner Rathaus Bruck an der Leitha
Bauherr: Stadtgemeinde Bruck an der Leitha
Architektur und Baumanagement: BME ZT / B & M Brodl, Marchart, Eisterer
Fenster, Türen, Tore: KRANZ GmbH & CoKG
Objekthistorie: Historische Bauforschung & Archäologie, Mag Ralf Gröninger